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„Lebensnahe Aufführung: „Wir gegen die Anderen“ zeigt die komplexe Bandbreite der Fanszene“

Fussball und Gruppenzugehörigkeit: Die Wilde Bühne Bremen spielte im Hallenbad das Theaterstück „Wir gegen die Anderen“. Das Stück behandelt eine wahre Begebenheit eines Bundesligavereins.

von Heinz-Werner Kemmling
22.03.2023, abgedruckt in der Wolfsburger Allgemeine Zeitung

Wolfsburg. Die „Wilde Bühne Bremen“ ist seit vielen Spielzeiten des Jungen Theaters Wolfsburg regelmäßig mit einer Produktion vertreten. Am Mittwoch spielte sie im Kulturzentrum Hallenbad „Wir gegen die anderen“ mit dem Untertitel „Ein Theaterstück über Fußballfans, Rassismus, Gruppenzugehörigkeit und Drogen“. In Kooperation mit dem Fanprojekt Wolfsburg und dem VfL Wolfsburg waren beide Vorstellungen mit insgesamt rund 500 Jugendlichen ausverkauft. Zwar behandelt das Stück eine zwanzig Jahre zurückliegende, wahre Begebenheit bei Werder Bremen, aber auch eingefleischte VfL-Wolfsburg-Fans verfolgten mit vernehmbar innerem Engagement die Aktualität der dargestellten Handlung.
Jeder kennt die Fanszenerie um seinen Verein. Ultras sind ein wachsender Teil der Fankultur. Uneingeschränkte Unterstützung ist ihr höchstes Gebot. „Es ist mehr als Fußball – es ist reine Energie. Jeden Spieltag packt dich ein Sog, bei dem du einfach dabei sein musst“, bringt es ein Fan auf den Punkt.

Fiktive Ultra-Gruppe und Polizeiverhöre
An den Geländern des Zuschauerraums hängen Banner, auf der Bühne steht ein unfertiges Baugerüst, an der Rückwand bringen Anhänger der fiktiven Ultra-Gruppe „Green Madness“ ihr riesiges Banner an. Das sind die Requisiten, die das Spiel des Ensembles umrahmen. Ein Spiel, das mit einem derartigen Engagement und einer Vehemenz sich entwickelt, dass im Publikum niemand sich dem entziehen kann und selbst das Gefühl hat, mit in der Fankurve zu stehen.
Unter der Regie von Michaela Uhlemann-Lantow und Jana Köckeritz verläuft das Stück parallel auf mehreren Handlungsebenen. Die Ebene mit den agierenden Fans wird unterbrochen durch Polizeiverhöre, aber auch durch persönliche, nachdenkliche Betrachtungen einzelner Fans. Songs bringen das Lebensgefühl, das man bei den Ultras findet, zum Ausdruck. „Green Madness ist jetzt meine Familie“, heißt es an einer Stelle.

„Am Spieltag kämpfen wir Seite an Seite“
Bei den Ultras sind alle Bevölkerungsschichten und Altersstufen vertreten, Hooligans und Schüler, Mädchen und Jungs, Bankangestellte und Hilfsarbeiter. Eine Anhängerin bringt es auf den Punkt: „In der Woche musst du funktionieren, Maul halten und buckeln, wenn du keinen Ärger willst. Am Spieltag sind wir alle gleich und kämpfen Seite an Seite gegen die anderen.“
Das einstündige Stück zeigt die komplexe Bandbreite der Fanszene auf. Ohne erhobenen Zeigefinger gelingt es den Protagonisten, ein ebenso ausdrucksstarkes Bild zu entwerfen: Auch wenn das Verhältnis zu staatlichen Organen ambivalent und niemanden zu verraten, oberster Ehrencodex sind, ist das Vorurteil über „stets bösartige Ultras“ einseitig. Allerdings, wie im Stück durchgespielt, versuchen Rechtsextreme mit rassistischen Parolen Gruppen zu
unterwandern, was intern zu brutalen Konflikten und zur Spaltung führen kann. In der lebensnahen Aufführung ist kein Problem ausgeklammert. Auch im ausführlichen Nachgespräch wurden alle Fragen zugelassen.