Schülerinnen und Schüler der neunten Klasse an der OBS Bockhorn stellen Kriesenerlebnisse dar.
Bild: Privat
Artikel vom 16.11.2022 in der NWZ
von Josepha Zastrow
Was hilft gegen Sucht oder Burnout bevor diese Erkrankungen entstehen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich jetzt Jugendliche an der Oberschule Bockhorn, gemeinsam mit dem Theaterprojekt Wilde Bühne.
Bockhorn „Stellt euch selbst mal die Frage, wie ihr konsumiert“, sagt Marlon Henninger zu Schülerinnen und Schülern der Oberschule Bockhorn. Henninger ist Schauspieler bei der „Wilden Bühne“ in Bremen, eine Theatergruppe, die aus Theaterpädagogen und aus ehemals Suchterkrankten besteht. Die Schulsozialarbeiterinnen der Oberschule Bockhorn, Jasmin Wittkowski und Feenja Bohlken hatten die Wilde Bühne für ein Präventionsprojekt nach Friesland eingeladen.
• Erfahrungsbericht
Henningers Geschichte geht ans Herz: In den schweren Zeiten seiner Sucht war er von mehreren Substanzen gleichzeitig abhängig, in der Fachsprache nennt sich das „Polytoxikomanie“. Den Schülerinnen und Schülern der 9b gegenüber erzählt er ungeschönt und offen, wie er in die Sucht hineingeraten ist und wie er ihr wieder entrinnen konnte. Seit zwei Jahren ist er clean. Heute wohnt der junge Mann in einer betreuten Wohngruppe für Erwachsene und spielt bei der Wilden Bühne. Es ist ihm ein Anliegen, die Krankheit „Sucht“ zu entstigmatisieren, „auch gegenüber meinem späteren Arbeitgeber will ich offen damit umgehen“.
• Gegen das Tabu
„Weniger Tabu macht weniger krank“, ist sich Marlon Henninger sicher. Die Schüler konnten gut mit seiner Offenheit umgehen: „Ich konnte alle Fragen stellen, die mich interessieren“, sagt einer in der Abschlussrunde; „besonders spannend fand ich es zu hören, wie er davon weggekommen ist“, findet eine weitere Schülerin. Henniger selbst gibt zu: „Am liebsten würde ich den Jugendlichen sagen, macht das nicht, nehmt keine Drogen. Aber so funktioniert das leider nicht.“ Trotzdem hofft er mit seiner Ehrlichkeit auf einen positiven Einfluss. Seine Geschichte mitzuteilen ist für ihn wichtig, „ich finde es erleichternd, darüber zu reden“, sagt er.
• Eigene Themen
Nach dem Erfahrungsbericht geht es für die Schüler an die eigenen Erfahrungen: Gemeinsam mit der Wilden Bühne entwickeln sie in Kleingruppen ein Improvisationstheater. „Da können sie alles einbringen, dass sie beschäftigt“, erklärt Pablo Keller vom Leitungsteam der Wilden Bühne. In Bockhorn drehten sich die Themen der Jugendlichen nicht nur um den eigenen Konsum, auch Suchterkrankungen von Familienangehörigen oder eigene Schlafstörungen wurden behandelt.
Aber auch der eigene Alkoholkonsum oder die Frage um die Cannabis-Legalisierung wurde unter den Jugendlichen besprochen. „Wichtig ist aber auch die Frage, an wen man sich im Notfall wenden kann“, betont Schallsozialarbeiterin Bohlken: „Wir hoffen, dass nach so einem Projekt die Hemmschwelle niedriger ist, sich auch wirklich Hilfe zu hohlen.“ Dazu müsse aber auch über schambehaftete Themen gesprochen werden, sind sich die Pädagogen einig. „Ich würde mir wünschen, dass Schule auch ein Ort ist, in dem man sich verletzlich zeigen kann“, schlussfolgert Pablo Keller.
Das Projekt „Nahaufnahme“ der Wilden Bühne, an dem die Schüler*innen teilnahmen, ist für Schulklassen ab der 9. Jahrgangsstufe buchbar. Weitere Infos findet ihr hier. Weitere Infos und Terminanfragen bitte telefonisch oder per Mail.